Das Netzwerk Faire Mobilität – ein erster Schritt für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Gastarbeitern

Die Freizügigkeit von Personen innerhalb des europäischen Raums ist ein Grundprinzip der Europäischen Union (Artikel 26 AEUV). So hat jeder EU-Bürger seit der Abschaffung der Grenzen zwischen den 28 Mitgliedstaaten das Recht, sich innerhalb Europas frei zu bewegen. Es ist dabei egal, ob es dabei um ein Studium, eine Arbeit oder einfach um das Reisen und Leben geht. Gemäß Artikel 45 AEUV ist festzuhalten, dass “die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen” garantiert werden muss.

Beschränkungen in der Freizügigkeit können für die Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten, die erst vor kurzem der europäischen Union beigetreten sind, während einer Übergangszeit von bis zu sieben Jahren nach dem Beitritt angewendet werden. So hatte Deutschland und weitere acht europäische Länder den Zugang zu ihrem Arbeitsmarkt für die neuen Mitgliedsländer (ab 2004) zunächst nur mit Einschränkungen geöffnet. Genauer gesagt war es den Bewohnern der neuen Länder vorgeschrieben, dass Arbeiter, die länger als drei Monate bleiben wollen, einen Job, eine Aufenthaltsgenehmigung und eine Arbeitserlaubnis nachweisen mussten, um im Gastland bleiben zu dürfen. Seit dem 1. Januar 2014 wurden die Einschränkungen für Bulgarien und Rumänien aufgehoben. Allerdings gelten die Beschränkungen für Arbeitnehmer des EU-Beitrittslandes Kroatiens (beigetreten am 1. Juli 2013) immer noch.

Das Netzwerk Faire Mobilität (Beratung für mobile Beschäftigte) existiert seit 2011 und wurde durch den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und seine Partnerorganisationen wie z. B. das Berufsfortbildungswerk gegründet. Das Projekt wird durch das Ministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) in Deutschland, den Europäischen Sozialfonds (ESF) und den DGB finanziert.

Faire Mobilität zielt darauf hin, die Bereitstellung gerechter Arbeits- und Lebensbedingungen in Deutschland zu unterstützen. Das Projekt baut auf einer Kooperation mit den Partnern des europäischen Gewerkschaftsbundes auf. In den sechs bestehenden Beratungsstellen von Faire Mobilität erhalten die mobilen Arbeiter aus Mittel- und Osteuropa Arbeitsrechtsberatung in ihrer Muttersprache. Die Beratungsstellen arbeiten mit ähnlichen Institutionen in ihrer Umgebung zusammen und gehören zu einem auf der nationalen Ebene funktionierenden Netzwerk. Das Ziel besteht darin, die Arbeiter aller Arbeitsbereiche und Branchen zu informieren. Jede Beratungsstelle konzentriert sich auf einen Schwerpunkt (die Schwerpunkte: Berlin: Pflege; Dortmund: Industrienahe Dienstleistungen; Frankfurt/Main: Baugewerbe und Gebäudereinigung; Hamburg: Fleischwirtschaft; München: Entsendung und Werkverträge; Stuttgart: Transport und Logistik). Es handelt sich bei der Beratung nicht um eine Sozialberatung oder Berufsberatung, sondern um eine Arbeitsrechtsberatung (wenn Personen Probleme mit ihrem Arbeitgebern haben oder Fragen zum Arbeitsvertrag). Jochen Empen, der sich in dem Bereich der Fleischindustrie spezialisiert hat, erklärt uns zu seiner Arbeit in der Beratungsstelle von Faire Mobilität in Hamburg: “Die meiste Zeit arbeite ich im Büro (telefonische und persönliche Beratung), aber ich fahre auch immer wieder direkt zu den Arbeitsorten und verbreite in Kooperation mit den Gewerkschaften Informationen. Solche Beratungsstellen funktionieren erst nach einiger Zeit und langfristig gesehen. Oftmals sagen die vor Ort, bei bestimmten Betriebsstätten angetroffenen Personen, es gebe keine Probleme. Aber im Laufe der folgenden Monate merkt man, dass Ratsuchende genau von der Arbeitsstelle kommen, bei der man vorher Flyer verteilt hat.”

In den statistisch ausgewerteten Daten für das Jahr 2013 sieht man, dass der größte Anteil der Ratsuchenden, nämlich 903, mit Problemen und Fragen zu der Entlohnung in die Beratungsstellen kommen. Danach folgen Fälle mit Fragen zu den Sozialversicherungsleistungen (443 Fälle) und an dritter Stelle folgen die Arbeitsverträge (241 Fälle). Die am häufigsten beratene Nationalität stellen Arbeiter aus Polen dar (47,6%), dann kommen mobile Beschäftigte aus Bulgarien (29,6%) und an dritter Stelle Leute aus Rumänien (10,4%). Betrachtet man die Regionen mit ihren Beratungsstellen allerdings getrennt voneinander, sieht man, dass sich die Herkunft der Ratsuchenden je nach Beratungsstelle stark unterscheidet. Bundesweit kommt die Mehrheit der Arbeiter, die die Beratungsstellen aufsuchen, aus dem Baugewerbe (22%), nur etwas geringer ist die Reinigungsbranche vertreten (19%). Die Fleischindustrie macht einen Anteil von 6% aus und der Sektor Garten- und Landwirtschaftsbau sogar nur 2%. Doch diese Zahlen sind nicht als Abbild des bestehenden Unterstützungsbedarfs zu deuten, sondern ein Spiegel des Angebotes und der Aktivitäten der Beratungsstellen, nicht zuletzt der Sprachkenntnisse der dort tätigen BeraterInnen.

Informationsveranstaltung in Quakenbrück

Am Mittwoch, dem 12.03.2014, veranstalteten die Organisationen Faire Mobilität (Beratungsstelle Hamburg), der Caritas-Verband im Bistum Osnabrück und Arbeit & Leben eine Kooperationsveranstaltung zum Thema “Arbeitsvertrag – Deine Rechte und Pflichten”. In der Veranstaltung ging es darum, mobile Beschäftigte über die verschiedenen Arbeitsgesetze zu informieren. Es kamen insgesamt rund 20 Teilnehmer mit den Muttersprachen Polnisch, Russisch und Rumänisch. Diese wurden nach ihren Muttersprachen in Gruppen mit dem/der Dolmetscher_in zusammengesetzt um die Übersetzung zu erleichtern. Für jede der Sprachen war ein_e Dolmetscher_in vor Ort. Die Präsentation lief so ab, dass zunächst die einzelnen Punkte kurz auf Deutsch von Dr. Barbara Weise vorgestellt wurden, danach bekamen die Dolmetscher_innen die Zeit, das Gesagte ihrer Gruppe in der entsprechenden Landessprache zu erklären. Während der Übersetzungsphase konnten die Leute auch direkt ihre Fragen zu diesem Themenbereich stellen. So kam unter anderem bei den polnischen KollegInnen die Frage auf, ob es in Deutschland die Pflicht gibt, jeden Monat eine Lohn- oder Gehaltsabrechnung zu erhalten. Eine russische Frau hingegen erkundigte sich, bis wann sie bei einem Vorstellungsgespräch bzw. bei einer bevorstehenden Arbeitsvertragsverlängerung ihrem Chef nicht sagen muss, dass sie schwanger ist. Weiterhin wurde über die weiteren Pflichten des Arbeitgebers, zu Grundregelungen für Arbeitsverträge, über Leihverträge und auch über Urlaubs- und Krankengeld aufgeklärt.

Nach der Präsentation bekamen die Besucher der Veranstaltung die Möglichkeit mit den Beratern über persönliche Anliegen und Probleme mit ihrer Arbeitsstelle zu reden.

Beim Verlassen der Veranstaltung konnten sich die TeilnehmerInnen mit verschiedenen Informationsbroschüren in den jeweiligen Sprachen ausstatten, um sich selbst weiter zu informieren.

Réunion d'information à Quackenbrück

Veranstaltung in Quackenbrück

Die Referenten (von links nach rechts) : Dr. Barbara Weiser von Caritas,Glina Krieger von Caritas, Norbet Grehl-Schmitt von Caritas,Jochen Empen von Faire Mobilität HamburgGrehl-Schmitt de  Caritas,Jochen Empen de Faire Mobilität Hambourg

Die Referenten (von links nach rechts) : Dr. Barbara Weiser von Caritas,Galina Krieger von Caritas, Norbet Grehl-Schmitt von Caritas,Jochen Empen von Faire Mobilität Hamburg


Share