Mindestlohn in der Fleischindustrie ab 1.August

Den bereits im Januar 2014 zwischen der Gewerkschaft Nahrung • Genuss • Gaststätten (NGG) und den neun das Bundesgebiet abdeckenden Arbeitgeberverbänden ausgehandelten Mindestlohntarifvertrag für die Fleischindustrie hat das Bundesarbeitsministerium nun mit einem Monat Verzögerung in Kraft gesetzt.

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Ausbeutung von migrantischen Arbeitskräften in Deutschland: zwischen Containern, Spargelfeldern und Schweinehälften

In Frankreich betonen Regierungen und Repräsentanten der Agrarindustrie die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Landwirtschaft und besonders der Fleischindustrie. Im Jahr 2012 wurden in Deutschland ungefähr 58 Millionen Schweine, mehr als drei Millionen Rinder und 628 Millionen Hühner geschlachtet[1]. Die deutsche Fleischindustrie ist so effizient, dass Deutschland Europas Schlachthaus ist und auf dem Weg, der größte Fleischexporteur der Welt zu werden. Den Preis dafür zahlen viele ArbeitnehmerInnen, vor allem aus Osteuropa, denn das lockere europäische Arbeitnehmer-Entsendegesetz erlaubt Missbrauch durch dubiose Subunternehmer.

Das Anliegen von La Confédération Paysanne ist, die damit (in der Bundesrepublik) zusammen hängenden sozialen und ökologischen Realitäten aufzuzeigen. Ich möchte während meines Aufenthaltes von den wirklichen Arbeitsbedingungen der migrantischen Landarbeiter und der Situation der bäuerlichen Landwirtschaft berichten und recherchiere dafür.

Meine Mission in der BRD ist dabei Teil eines seit bald zehn Jahren von La Confédération Paysanne gepflegten internationalen Arbeitsprogramms über migrantische Arbeitskräfte in der Landwirtschaft. Dieses beruht auf Austausch, Treffen und Fortbildung von Landwirten und Saisonarbeitern in der Landwirtschaft. La Confédération Paysanne hat dafür in den verschiedenen Ländern Partner (Gruppen oder Personen) gefunden. Konkret hat La Confédération Paysanne seit 2006 dutzende von Freiwilligen mit Rechercheaufträgen in viele Länder Europas aber auch in Mittelmeeranrainerländer wie z. B. Marokko und Palästina entsandt.

Das über die reine Dokumentation hinaus gehende Ziel der Recherche und Forschung ist, ein europaweites Verteidigungsnetz für die bäuerliche Landwirtschaft und die migrantischen LandarbeiterInnen zu bilden. Dieses soll helfen, vielfältige Infos über die Lage migrantischer ArbeiterInnen in der Landwirtschaft und in der Ernährungsindustrie zu sammeln und auch Informationen über grundlegende Rechte migrantischer ArbeiterInnen international und in verschiedenen Sprachen verfügbar zu machen.

Deutschland, Europas führender Agribusiness-Staat, wird zunehmend für die sozialen und ökologischen Kosten des wirtschaftlichen Erfolgs kritisiert. In den Monaten nach meiner Ankunft in Niedersachsen konnte ich die verheerenden Auswirkungen seines Treibens sehen. Seit Jahren leiden Tausende von entsandten ArbeitnehmerInnen unter ihrem Missbrauch durch skrupellose Subunternehmern. Im Rahmen von “Dienstleistungsaufträgen” vermieten Sie migrantische ArbeiterInnen an große Unternehmensgruppen wie Tönnies, Danish Crown, Heidemark und Vion. Diese Verträge erlauben das deutsche Arbeitsrecht zu umgehen und Löhne und Arbeitsstandards (z. B. Arbeitszeit- und Urlaubsregeln oder zum Schutz bei Krankheit) drastisch zu reduzieren. Dies schafft ein echtes Problem: unfaire Wettbewerbsvorteile der in Deutschland produzierenden Unternehmen.

Darüber hinaus erleiden die Mitarbeiter Schaden. Diese Vertragsarbeiter kommen meistens aus Osteuropa (Rumänien, Polen, Bulgarien) und erleiden tägliche Belastungen. Sie sind bereit, Lebens- und Arbeitsbedingungen, die der Sklaverei nah sind, zu akzeptieren, denn sie haben Angst ihren Arbeitsplatz zu verlieren und ohne Geld nach Hause zurückzukehren. Diese Menschen wissen wenig darüber, auf welche Arbeitsbedingungen sie hier einen Anspruch haben. Sie verlassen ihre Heimatländer aus der Not und sie sind bereit viele Zumutungen zu akzeptieren. Viele beklagen sich nicht, meist weil sie Angst haben, ihre Arbeit zu verlieren. Und Sie wurden häufig mit falschen Versprechungen nach Deutschland gelockt – von Vermittlungsagenturen oder direkt von Arbeitgebern. Dabei werden auch ihre fehlenden Sprachkenntnisse eiskalt ausgenutzt.

Fast alle Schlachthöfe vergeben heutzutage ihre Kerntätigkeiten, das Schlachten, Zerlegen und ggf. die Weiterverarbeiten über Werkverträge an eine größere oder kleinere Zahl von Subunternehmen. Diese wiederum vergeben die Arbeiten teils an weitere Subunternehmer, diese möglicherweise noch einmal an weitere Subunternehmer. Am unteren Ende der undurchsichtigen Kette stehen einsam die Fleischarbeiter, die die Ausgebeuteten sind: Sie arbeiten in der Fleischindustrie zum Teil 14 bis 16 Stunden am Tag zu einem geringen Lohn und wohnen manchmal mit 15 Personen in einer Vier-Zimmer-Wohnung, z. B. in Ahlhorn für 200 oder mehr Euro pro Monat. Außerdem zahlen sie Abgaben an den Subunternehmer für den Transport zur Arbeit. Manchmal kassiert der Subunternehmer auch noch Geld für Werkzeug und Arbeitskleidung.

“In Lettland habe ich eine Anzeige gesehen um in Deutschland zu arbeiten. Ich sollte 1000 € zur Subunternehmer bezahlen. Im Schlachthof, wo ich gearbeitet habe, arbeitete ich zwischen 12 und 14 Stunde am Tag aber es gab viele Stunden, meistens wenn ich am Nacht gearbeitet habe, die nicht bezahlt wurden. Wir haben zur 4 in einer Personen Wohnung gewohnt, dafür sollte ich 185 € pro Monat zur Subunternehmer bezahlen. Wenn ich den Job verloren habe, sollte ich gleich weg von dieser Wohnung”.

 

(Ehemalige Mitarbeiterin im Schlachthof)

Ich habe bei dem Betrieb x gearbeitet. Das schlimmste davon war folgendes: Zum Beispiel, wir haben den Arbeit dort um 4 Uhr Morgens angefangen. Um 4 Uhr standen wir schon in der Reihe und haben unsere Pflicht erfüllt. Aber manchmal, das passierte oft, dass wir in dieser Reihe bis zu 5 oder 7 Uhr standen, weil zum Beispiel es irgendwas mit dem Fliessband oder mit den Geräten gab, und irgendwelche Reparierungen kamen davon. Wir wurden nie befreit oder nach Hause geschickt, wir mussten warten bis sie alles wieder zu Ordnung bringen. Zum Beispiel, wenn Reparierung dauert eine oder zwei Stunde und wenn das zum Beispiel um 4 oder um 3 Uhr Nachmittags passiert, haben wir einfach 2 oder 3 Stunde gewartet, einfach so, kein Sinn obwohl wir hatten schon kein Essen, weil wir hatten zum Beispiel schon um 11 Uhr während unsere Mittagspause alles gegessen. Wir hatten nichts, aber wir mussten warten bis alles in Ordnung gebracht wurde und wir mussten in der Reihe stellen und arbeiten bis 19 Uhr oder noch später. Es passierte ungefähr einmal in der Woche. Und Lohn war so niedrig… (…) Wir wussten einfach nicht welche Preise existieren als wir angestellt waren, einfach so haben sie uns Preis genannt, und wir haben auch am Samstag gearbeitet, fast immer… Irgendwie, es war richtiges… Wie heißt man das? Sklaverei! Einfach so… Ganzen tägliche Tag wir haben täglich nie Licht gesehn, wir waren immer da drin. Von Dunkelheit bis Dunkelheit! Und Samstag auch… Es war schrecklich… (…)

(Ehemalige Mitarbeiterin im Schlachthof)

Werkvertragsvergabe geschieht häufig nur deshalb, weil sich der Schlachthof selber auf diese Weise aus der Sozialverantwortung stehlen kann. Das heißt, er übergibt die komplette Sorge um das Personal an jemand anderen ab und kann seine Hände in Unschuld waschen.

Man muss auch sagen, dass die Arbeit im Schlachthof die Leute körperlich kaputt macht und sie ihre Ansprüche auf soziale Unterstützung nicht kennen. Arbeitsunfähigkeit oder Arbeitsunfall führen auch sehr häufig zu Kündigungen und dann zur Ausreise.

Die Maschinen waren so schlecht, dass manchmal fast alle Produkte an uns zurückkamen. So hatten wir doppelte Arbeit am Tag zu tun. Wir sollten schwere Lasten von Fleisch tragen und mit sehr schneller Geschwindigkeit! Wir sollten manchmal 20 Kilos oder mehr tragen. Ich habe alles mechanisch und schnell gemacht, ich fühlte nicht die Schmerzen an der Zeit, es kam später (…) Also dann bin ich krank geworden (…) Zwei Jahre lang war ich ans Bett gefesselt, ich konnte mich kaum bewegen. Im Heimatland hatte ich noch nie so eine körperliche Arbeit geleistet, es war neu für mich und ich war nicht dafür vorbereitet (…) Wenn die Maschinen ganz normal funktioniert hätten, und dass ich in mit einem normalen Tempo gearbeitet hätte, wäre alles sicher besser passiert werden…”

(Ehemalige Mitarbeiterin im Schlachthof)

Große Hoffnungen setzen viele in den ab 1. 7. 2014 geltenden Mindestlohntarif von 7,75 Euro für die Fleischbranche. Dieser Lohn wird im Wege der Aufnahme in das Entsendegesetz und seine daraus folgende Allgemeinverbindlichkeit für alle gelten, also auch für die migrantischen ArbeitnehmerInnen. Dieser Lohn aber bleibt unzureichend, solange nicht die Probleme der unbezahlten Überstunden, der schlechten Wohnverhältnisse und der sonstigen Lohnabzüge (z. B. für die vielen willkürlichen Arbeitsvertrags-Strafen) gelöst werden.

 Auch in der Landwirtschaft erhalten Saisonarbeiter häufig einen unfassbar geringen Lohn. Sie kommen nach Deutschland meist für zwei Monate (sozialversicherungsfreie Verträge) und arbeiten sechs oder sieben Tage pro Woche, zehn bis zwölf Stunden pro Tag und verdienen ein Gehalt von vier bis fünf Euro pro Stunde. Sie wohnen in Containern auf dem Feld – zwischen zu zweit und zu viert in einem Zimmer. Ich habe einen Saisonarbeiter aus Rumänien getroffen, dem am Anfang 7,20 Euro/Stunde brutto versprochen wurden. Am Ende hat er manchmal nur 1,34 Euro/Stunde netto bekommen. Die Gründe hierfür sind die Akkordabrechnung und die nicht bezahlten Überstunden. Er hatte darüber hinaus keine Kontrolle über seine Arbeitsgeschwindigkeit, weil er am Fließband gearbeitet hatte. Er hat sich bei der Leitung beklagt, aber sie haben einfach geantwortet: „Wenn du damit nicht zufrieden bist, geh zurück nach Hause.“ Er hat alle gearbeiteten Stunden aufgeschrieben, aber die Lohnabrechnung stimmte nie überein mit dem was er aufgeschrieben hat. Er hat auch dazu gesagt, dass Leute auch schwarz arbeiten.

Als Reaktion auf die verschiedenen Skandale in der Presse über das entrechtete Leben und das Arbeiten von Wanderarbeitern in der Landwirtschaft und der Ernährungsindustrie wurden in Niedersachsen zwei Beratungsstellen für ost- und südeuropäische ArbeiterInnen geschaffen, eine davon in Oldenburg als mobile Beratungsstelle. Sechs Beratungsstellen existieren bereits auf nationaler Ebene über das Programm Faire Mobilität, getragen unter anderem vom Deutschen Gewerkschaftsbund, finanziert auch aus Mitteln der Europäischen Union.

Aber die Besonderheit der Oldenburger Beratungsstelle ist es mobil zu sein. In der Tat, die meisten Wanderarbeiter haben keine Autos und nicht die Möglichkeit, sich z. B. nach Oldenburg zur Beratung zu bewegen.

Die Beratungsstelle arbeitet gemeinsam mit anderen Institutionen wie der Polizei, dem Zoll und anderen öffentlichen Behörden, um durch gemeinsame Arbeit und Anstrengungen effektiver zu werden. Diese neue Initiative ist ein Fortschritt im Bemühen um den Schutz der Rechte der Arbeitnehmer, aber sie ist nicht ausreichend. Gesundheitskontrollen hinsichtlich der Wohnverhältnisse und Zollkontrollen bezüglich der Einhaltung von Arbeitsbedingungen in den Betrieben sollen verstärken werden, um den radikalsten Varianten der Ausbeutung bei Subunternehmern entgegen zu treten.

Die Arbeitnehmer-Entsende-Richtlinie von 1996 muss auch reformiert werden um die sozialen Rechte der entsandten Arbeitnehmer zu unterstützen und damit dem Betrug auf Grundlage der Arbeitnehmer-Entsende-Richtlinie ein Ende zu setzen.

Ein Zwischenfazit ist: Die Macht des Portemonnaies sollte auch benutzt werden und wir sollten uns alle als Verbraucher verantwortlich fühlen für die Arbeitsbedingungen in der Ernährungsindustrie und Landwirtschaft.

 


[1] Fleischatlas 2014 by HEINRICH BÖLL STIFTUNG, BUND, LE MONDE DIPLOMATIQUE, http://www.boell.de/sites/default/files/fleischatlas2014_kommentierbar.pdf

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Demo in Cloppenburg gegen moderne Sklaverei

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Mit einer Kundgebung, einer Ausstellung und Demonstration protestierten am 26.04 in Cloppenburg rund 200 Menschen gegen das Werkvertragsunwesen. Aufgerufen hatte das Bündnis für Menschenwürde in der Arbeitswelt, gekommen waren Menschen aus dem Bereich der katholischen Arbeitnehmerbewegung, von DGB und Einzelgewerkschaften, … Continue reading

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« Das ganze System ist ein Betrug an der gesamten Gesellschaft » – Interview mit Matthias Brümmer von der Gewerkschaft NGG

Im Jahr 2012 wurden in Deutschland ungefähr 58 Millionen Schweine, mehr als drei Millionen Rinder und 628 Millionen Hühner geschlachtet[1]. Die deutsche Fleischindustrie ist so effizient , dass Deutschland Europas Schlachthaus ist und auf dem Weg, der größte Fleischexporteur der Welt zu werden. Bei Lidl gibt es zum Anfang der Grillsaison ein Kilo Schweinenacken zum Aktionspreis von 3.99 Euro. Den Preis dafür zahlen viele Arbeitnehmer, vor allem aus Osteuropa denn das lockere europäische Arbeitnehmer-Entsendegesetz erlaubt Missbrauch durch dubiose Subunternehmer. Wie das Geschäft mit dem billigen Fleisch funktioniert, erklärt uns Matthias Brümmer, der Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten Oldenburg.

Man spricht darüber, dass 90% der Beschäftigten in Schlachthöfen im Rahmen von sogenannten Werkverträgen arbeiten[2]. Könnte es auch ohne Werkverträge in der Fleischindustrie funktionieren?

Ja. Der Punkt ist, dass Werkverträge häufig nur deshalb genommen werden, weil sich der Schlachthof selber auf diese Weise aus der Sozialverantwortung stehlen kann. Das heißt, er übergibt die komplette Personalhoheit an jemand anderen ab und hat eigentlich überhaupt nichts mehr damit zu tun. Das wird sich jetzt zum 01.07.2014 mit dem Mindestlohn[3] ändern, der auch im Entsendegesetz auftaucht und damit auch für Schlachthöfe gilt. Das heißt also der Schlachthofbetreiber muss nötigenfalls fuer Verstösse der Subunternehmer gerade stehen. Der Schlachthof übergibt das Gewerk an den Subunternehmer. Dieser erledigt die Aufgabe mit seinen eigenen Leuten oder gibt sie weiter an einen weiteren Subunternehmer. Wenn er das Gewerk weitergibt, dann kann er es nur im ganzen weitergeben, es entsteht also eine Art Sub-Subkette. Der Subunternehmer wird dann nach Ergebnis bezahlt, aber die Beschäftigten des Subunternehmens werden mindestens nach dem Tarifvertrag bezahlt. Das kann über den Zoll kontrolliert werden[4].

Aber gibt es genug Kontrolleure?

Nein. Das ist praktisch das Spiel welches dabei abläuft, dass Druck auf die ministeriale Ebene gemacht wird, um genügend Kontrolleure einzustellen. Es wird ein schleichender Prozess sein aber es müssten noch ein paar Hundert Zöllner eingestellt werden.

Wie können Sie ein Subunternehmen beschreiben?

Ein Subunternehmer ist ein Einzelunternehmen. Ein Unternehmer meldet sich zunächst bei dem Gewerbeamt als Untermehmen an und dazu muss er seine persönlichen Daten angeben. Er muss eine Gebühr bezahlen und einen Zweck für das Unternehmen nennen. Dann geht der Unternehmer zu großen Firmen und bewirbt sich bei denen mit einem Angebot. Erst danach besorgt er sich so viel Personal wie er braucht. Das Personal versucht er zunächst in Deutschland zu besorgen und wenn er in Deutschland keins findet, dann holt er sich welches aus dem Ausland. Im Ausland gibt es zwei Varianten, entweder er gründet z.B. eine Firma in Rumänien und entsendet über das Entsendegesetz mit der A1 Bescheinigung nach Deutschland, dann unterliegen sie dem Gesetz des Heimatlandes. Oder er holt sie direkt rüber und stellt sie hier bei sich selbst ein. Dann unterliegen sie natürlich dem deutschen Recht, aber die Wahrscheinlichkeit für diese Variante ist sehr gering. Das EU-Recht sieht vor, dass nur Leute als Entsandte gelten, wenn sie in ihrem Heimatland bereits den selben Beruf ausüben, den sie in Deutschland machen sollen. Das ist aber meistens nur fiktiv, den die Leute werden extra für den Auftrag angeworben. Die A1 Bescheinigung aus dem Heimatland darf aber nicht angezweifelt werden. Deswegen kann man schlecht prüfen, ob sie vorher gearbeitet haben.

Gibt es noch Schlachthöfe, die keine Werkverträge benutzen?

Reine Schlachthöfe? Es soll noch einen einzigen in der Eifel geben, in Rheinland-Pfalz. Der war letztens auch im Fernsehen. Aber ich bin nicht davon überzeugt, dass er noch immer keine Werkverträge hat.

Wie werden die Schwierigkeiten von französischen Schlachthöfen in Deutschland gesehen?

“Jedem ist das Hemd näher als die Hose.” Die meisten interessiert es nicht und das andere Problem ist die Ansicht: Hauptsache wir haben unsere Arbeit. Es ist schlimm, weil wir hier nichts anderes mit der Expansionpolitik machen, als wir es schon im Osten gemacht haben, weil wir die Länder von hieraus beliefern und das führt dazu, dass in Frankreich die Fleischindustrie zusammenbrechen wird. Und dass wir uns hier immer mehr Abhängigkeiten vom Export schaffen. Daraus folgt, dass wir immer mehr Tierfutter aus Brasilien brauchen und so entsteht immer wieder das selbe Spiel. Aber die Gülle bleibt hier und muss weggebracht werden. Deswegen muss nach meiner Einschätzung in Europa eine komplette Überarbeitung der Agrarpolitik folgen. Lebensmittel sind kein Exportschlager. Sondern Lebensmittel sollten dafür produziert werden, einen Binnenmarkt zu befriedigen – aber mehr auch nicht. Das heisst also, dafür Sorge zu tragen, dass man seine eigene Bevölkerung ernähren kann. Wenn es so weitergeht, ist fast jedes Stück Schwein, das man in Frankreich isst, aus Cloppenburg. Aber es wird noch schlimmer durch das Freihandelsabkommen mit Amerika[5]. Das ist ein Riesenproblem, das da auf uns zu marschiert.

Wird die Einführung des Mindestlohnes diese Entwicklung etwas abbremsen?

Der Mindestlohn wird eine solche Entwicklung tatsächlich etwas bremsen, weil die Werkverträge dann nicht mehr zu so niedrigen Preisen abgeschlossen werden können wie zur Zeit. Um es deutlich zu machen: Bei Vion bekommt ein Subunternehmer 1.03 € für die Schlachtung eines Schweines und muss diese Arbeit mit 60 Arbeitern durchführen um die vertraglich vereinbarten 600 Stück/h schaffen zu koennen. Ein Unternehmen kann also in einer Stunde maximal 618 € (brutto) erwirtschaften. Von diesem Gewinn sollen dann die Arbeiter bezahlt, Unternehmensgewinn erzielt, zehn Prozent Steuer bezahlt werden, und dann fallen auch noch zehn Prozent administrative Tätigkeiten und 130 € Lohnnebenkosten an. Diese Zahlen sind aber noch gering angesetzt und können viel höher ausfallen. Es bleiben also höchstens 300 €/h über, und die müssen sich dann 60 Leute brutto teilen. Es bleibt ein Stundenlohn von 5 € brutto und wahrscheinlich noch viel weniger. Schlachten in Deutschland ist so billig wie nirgendwo sonst in Europa und wir müssen klar stellen, der geringste Anteil am Fleischpreis sind zur Zeit die Personalkosten.

Der Mindestlohn wird dazu beitragen, dass wir als Gewerkschaft für unsere Kollegen und Kolleginnen ihre Rechte besser einklagen können. Die zweite Sache ist, es ist jetzt kontrollierbar. Der Druck wird jetzt also immer größer richtig zu bezahlen. Die Produkte werden teurer und somit wird es zu einer gesellschaftlichen Frage, wie man zu der Arbeit steht. Das System muss geändert werden, das legale Betrügen muss aufhören. Das System muss über den gesellschaftlichen Konsens bis zum rechtlichen Rahmen verändert werden.

Aber wie kann man die Richtigkeit der Werkverträge in Deutschland kontrollieren?

Wenn jemand zu mir kommt und nur 3 €/h bekommt ist das ganz einfach, dann wird der Zoll eingeschaltet. Der Zoll geht dem Verdacht nach und kontrolliert den Arbeitgeber. Aber der Zoll kann niemanden die Erlaubnis entziehen Arbeiter nach Deutschland zu holen. Es ist nur dem eigenen Heimatland erlaubt, die A1 Bescheinigung zu prüfen. Das geht nur über den ministerialen Weg. Die vom Zoll beschweren sich also bei dem Arbeitsminister und dieser beschwert sich dann bei dem Arbeitsminister des Heimatlandes des Arbeiters. Die Beschwerden werden in der Realität aber niemals wirklich bearbeitet, sondern gehen immer irgendwo unter.

Die eigene juristiche Verfolgbarkeit ist mit einem hohem Zeit- und Geldaufwand verbunden, so dass es sich kaum einer leisten kann. Das heißt, dass man wie in einem Fall in Oldenburg gegen mehrere Scheinfirmen in verschiedenen Ländern vorgehen müsste und das kein sich kaum jemand finanziell leisten[6].

Man spricht von millionen Euro Steuernhinterziehung, wie läuft das genau ab?

Es beginnt auf mehreren Ebenen. Das Problem bei einer Steuerhinterziehung befindet sich nicht bei den ausländischen Unternehmen, sondern bei den deutschen, z. B. wenn die Übernachtung abgezogen wird, wenn das Unternehmen hier also Wohnraum anbietet, dann müssten sie Steuern bezahlen weil sie nicht mehr Fleischunternehmer sind sondern Immobilienmarkler. Da beginnt zum Beispiel eine Art von Steuerbetrug. Oder wenn Werkzeug verkauft wird(…). Der richtige Steuerbetrug ist also bei den deutschen Unternehmern, bei den Leuten, die hier die Arbeiter anstellen. Wenn sie diese mehr arbeiten lassen, als auf der Lohnabrechnung steht, ist das Steuerbetrug. Der Steuerbetrug findet statt, wenn die Gewinne, die die Unternehmen machen, nicht vernünftig versteuert werden. Das ganze System ist ein Betrug an die gesamte Gesellschaft. Ich schätze, wir haben es in Deutschland mit Tausenden von Menschen zu tun, die betrügen, nicht nur in der Fleischindustrie, sondern überall.

Was sind die Forderung von der NGG um die entsandten Beschäftigten über den Mindestlohn hinaus weiter zu unterstützen?

Die Arbeit fängt jetzt erst richtig an für uns. Jetzt ist die Situation da, dass wir anfangen die Leute zu informieren in fünf verschiedenen Sprachen. Das wird jetzt der erste Schritt. Die Forderungen, die nun folgen, sind erst einmal ein noch höherer und schneller ansteigender Mindestlohn und zweitens, dass die Leute hier alle sozialversichert werden. Eine dritte Forderung sind ausgebaute Kontrollen, diese müssen erheblich verstärkt werden. Der vierte Punkt ist, die Leute sollen endlich direkt beim Schlachthof eingestellt werden.

Konfrontiert mit vielen Missbrauchsfällen arbeitet die Europäische Kommission seit März 2012 an einer Reform der Arbeitnehmer-Entsende-Richtlinie von 1996. Das Ziel der Kommission ist es, die Ausübung der sozialen Rechte der entsandten Arbeitnehmer zu klären und damit dem Betrug bei der Arbeitnehmer-Entsende-Richtlinie ein Ende zu setzen.

Am 16. April 2014 stimmte das Europäische Parlament für die Überarbeitung der Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern. Diese muss nun noch der Ministerrat billigen. Sein Ziel ist es, die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten zu verbessern und Missbrauch zu bekämpfen (z. B. über die unechten Selbständigen und mittels Briefkastenfirmen). Dies ist ein Schritt in Richtung eines besseren Schutzes der entsandten Arbeitnehmer. Dieser aber bleibt unzureichend, solange nicht die Probleme der unbezahlten Überstunden, der schlechten Wohnverhältnisse und der sonstigen Lohnabzüge (z. B. für Straf-Gebühren) gelöst werden. Darüber hinaus bedeutet dies nicht, dass damit bereits die Probleme des Sozialdumpings gelöst würden. Dieses tritt aufgrund der Unterschiede bei den Arbeitskosten in den verschiedenen Mitgliedstaaten auf, denn der Grundsatz der Zugehörigkeit der Mitarbeiter zur Sozialversicherung des Heimatlandes wird immer noch nicht in Frage gestellt.

Vorschläge für die Überarbeitung der Richtlinie (21.03.2012)[7]:

  • Missbrauch und Umgehung vermeiden mit einer Kriterienliste, anhand derer festzustellen ist, ob es sich um ein echtes Unternehmen handelt und ob ein entsandter Arbeitnehmer seine Arbeit in einem anderen Mitgliedstaat wirklich nur vorübergehend leistet. Das Parlament will auch eine Definition von Scheinselbstständigen einführen und die „Briefkastenfirma” besser definieren.
  • Nationale Kontrollmaßnahmen verstärken mit einer Liste von strengeren nationalen Kontrollmaßnahmen. Die Regierungen sind dabei frei, auch weitere Maßnahmen zu ergreifen. Um die Umsetzung der Entsenderichtlinie zu verbessern, sollten Behörden sowie Gewerkschaften z. B. Zugriff zu Dokumenten wie den Arbeitsvertrag oder Lohnabrechnung haben.
  • Einführung eines Mechanismus der gesamtschuldnerischen Haftung. Im Falle der Nichteinhaltung der Vergütung der entsandten Arbeitnehmer wird der Auftraggeber ebenso verantwortlich sein wie der Subunternehmer. Diese Maßnahme wird jedoch nur für den Bausektor verpflichtend sein. Im Hinblick auf andere Sektoren sind die Mitgliedstaaten frei, strengere Maßnahmen einzuführen. Zudem dürfen sie weitere Branchen einschließen.
  • Besserer Zugang zu Informationen über die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen im Aufnahmeland für Unternehmen und entsandte Arbeitnehmer_Innen durch die Bereitstellung einer transparenten, freien, in mehrere Sprachen übersetzten Informationen, die auf einer einzigen offiziellen Website legen wird. Die entsandten Arbeitnehmer erhalten z. B. Zugang zu Informationen wie sie bei Missbrauch klagen können.
  • Verbesserung der Verwaltungszusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten, die verpflichtet werden, eine Informationsanfrage innerhalb von zwei Wochen zu beantworten.

[1]Fleischatlas 2014 by Heinrich Böll Stiftung, BUND, Le Monde Diplomatique, (http://www.boell.de/sites/default/files/fleischatlas2014_kommentierbar.pdf)

[2] «Arbeitnehmer_Innen eines im Ausland ansässigen Unternehmens werden auf der Grundlage einer zwischenstaatlichen Vereinbarung nach Deutschland entsandt, um Werkverträge ihres Arbeitgebers zu erfüllen. Arbeitnehmer_innen erfüllen einen Werkvertrag ihres Arbeitgebers dadurch, dass sie bei anderen Unternehmen eine bestimmte Arbeitsleistung erbringen, wodurch ihr Arbeitgeber zum Subunternehmer wird. Sie sind nicht eingebunden in die Arbeitsabläufe des Auftraggebers, bleiben also ihrem Arbeitsgeber gegenüber weisungsgebunden. » (Caritasverband für die Diözese Osnabrück e.V.)

[3]Für deutsche Schlachthof-Mitarbeiter und diejenigen, die beim Subunternehmer angestellt sind, wird ab 1. Juli der Mindeststundenlohn von 7,75 € gelten. Dieses Niveau wird auf 8 € am 1. Dezember 2014, auf 8,60 € am 1. Oktober 2015 und schließlich auf 8,75 Euro ab dem 1. Dezember 2016 erhöht werden.

[4]Die Laval-Urteil vom 18. Dezember 2007 sieht als Hindernis für die Niederlassungsfreiheit an, dass Unternehmen, die Arbeitnehmer_Innen entsenden, Tarifverträge, die nicht allgemeinverbindlich sind, ansetzen sollen. In Deutschland wird der Tarifvertrag in der Fleischindustrie allgemeinverbindlich von 01.07.2014 damit die Subunternehmer für ihre Mitarbeiter diesen Tarif auch anwenden müssen.

[5] « Bei der transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) handelt es sich um ein Handelsabkommen, das zurzeit zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten ausgehandelt wird. Ziel ist die Beseitigung von Handelshemmnissen in einem breiten Spektrum von Branchen und damit die Erleichterung des Kaufs und Verkaufs von Waren und Dienstleistungen zwischen der EU und den Vereinigten Staaten. » (http://ec.europa.eu/trade/policy/in-focus/ttip/index_de.htm)

[6] Erlaüterung : In der vorliegenden Fall wären Untersuchungen zu den beteiligten Subunternehmen hier in Zypern, Rumänen, Irland nötig gewesen.

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Das Netzwerk Faire Mobilität – ein erster Schritt für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Gastarbeitern

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Die Freizügigkeit von Personen innerhalb des europäischen Raums ist ein Grundprinzip der Europäischen Union (Artikel 26 AEUV). So hat jeder EU-Bürger seit der Abschaffung der Grenzen zwischen den 28 Mitgliedstaaten das Recht, sich innerhalb Europas frei zu bewegen. Es ist … Continue reading

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Vorarbeiter im Schlachthof: „Ich mein, das war mir ja auch egal!“

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Als Vorarbeiter überwachte er für den Konzern die Arbeit am Fließband. Die Subunternehmer und deren Beschäftigte wurden streng getrennt von den Stammkräften eingesetzt. Es herrschte ein absolutes Redeverbot zwischen den Stammkräften und den Beschäftigten der Subunternehmen (… das sei im … Continue reading

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Fernsehreportage : Migranten bemängeln “moderne Sklaverei” in Deutschland – France 24

In der Region Oldenburg, Hochburg der deutsche Fleischindustrie, arbeiten Immigranten aus Lateinamerika in erbärmlichen Bedingungen. Dieses Lohndumping ermöglicht Deutschland, wettbewerbsfähig zu bleiben.

Artikel und Video (auf Französisch) : Reportage : en Allemagne, des immigrés dénoncent “l’esclavage moderne” – France – France 24.

Quelle : France 24, 2013

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Aufstand gegen die Fleischmafia – Eine Region wehrt sich gegen die Ausbeutung von Osteuropäern

http://www.swr.de/report/-/id=233454/nid=233454/did=10836374/10z0xju/index.html

aus der Sendung vom Dienstag, 15.1.2013 | 21.45 Uhr | Das Erste

In Südoldenburg arbeiten tausende Osteuropäer in der Fleischindustrie – Knochenarbeit für miserable Löhne. Aus Sorge um ihren Arbeitsplatz haben die meisten Arbeiter Angst sich zu wehren. Lange haben die Menschen aus der Region weggeschaut, doch nun protestieren sie gegen schlechte Arbeits- und Lebensbedingungen. Ein katholischer Prälat spricht von Sklavenarbeit. Ein Integrationsbüro kümmert sich, wenn Arbeiter über unbezahlten Urlaub und fehlendes Krankengeld berichten.

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